Mittwoch, 23. März 2011

dead.

Das traurige Mädchen

Dass sie lieber tot wäre, das hat sie oft gesagt, nur hören wollte es nie jemand.

Dass sie lieber tot wäre, das hat sie oft gesagt.
Das hatten alle schon mal gehört.
Nur, dass sie tatsächlich sterben würde, das wusste niemand.
Wahrscheinlich nicht einmal sie selbst.
Bis zu diesem einen Tag.
Gequält hat sie das Leben und das leben müssen.
Jeden Tag ein kleines bisschen.
Und vermutlich jeden Tag auch ein bisschen mehr.
Es war nie einfach für sie.
Ihr Lebenslauf, eine einzige Katastrophe.
Zum Lesen, Betrachten und dann weinen gemacht.
Sie war so ein trauriges Mädchen.
Geweint hat sie nie.
Nur dagesessen, in ihrer eigenen Welt verschanzt, stundenlang an die Wand starrend,
in Gedanken gefangen und sich selbst ein wenig bedauernd.
In ihrer Welt hat sie niemandem Eintritt gewährt.
Nur mir einmal, ganz kurz, da hat sie mir die Tür aufgehalten.
Aber ich bin nicht hineingetreten.
Ich bin zurückgeschreckt, als ich kurz durch den kleinen Spalt schaute
und alles dahinter in tiefer Dunkelheit lag.
Kalte Luft schlug mir entgegen und ließ mich erzittern.
Ich schaute sie mit großen Augen an und sie zog die Tür wieder zu.
Nun hat sich die Tür für immer geschlossen.
Bin ich Schuld an deinem Tod?
Wolltest du mir zeigen, was dich von Innen so auffraß?
Hätte ich dir helfen können?
Hätte ich verstehen können, warum du dich selbst zerstörst,
jeden Tag, jede Stunde, Minute und Sekunde?
Vielleicht hätten wir es zusammen schaffen können.
Dieses vielleicht lässt mich nachts nicht mehr schlafen,
tanzt in meinen Gedanken auf und ab,
genau wie die Bilder von dir und deinen Armen.
Arme voller Blut,
Arme voller Risse.
Du hast nach Hilfe geschrieen, so laut, dass es uns allen in den Ohren hätte klingen müssen, diese unglaublichen Hilfeschreie.
 „Ich habe nichts getan“, schwirrt mir durch den Kopf.
Ich sitze in meinem dunklen Zimmer, wie du es so oft getan hast
und starre gegen Wände und Decken.
Mein Blick verweilt einige Sekunden auf dem Bild von dir,
das schon seit Jahren an meiner Wand hängt.
Das Sonnenlicht hat es schon ganz ausgeblichen.
Es ist das einzige Foto, auf dem sie lächelt.
Das einzige, welches ich abhängen musste, weil ich es nicht ertragen konnte und mittlerweile irgendwo ganz unten zwischen all den Bildern der Erinnerung liegt und verstaubt.
Auch mein Lächeln ist seltener geworden,
wirkt oft vielmehr wie eine Maske.
Sie hat mich mitgenommen, stückchenweise, in kleinen Teilen.
Wie viel von dir bin ich geworden?
Wieder spochen die Schuldgefühle gegen meine Schädeldecke, hart und heftig,
wie sie es immer tun, seit sie gegangen ist, freiwillig.
Oder eben, weil sie ihr Leben dazu gezwungen hat.

Dass sie lieber tot wäre, das hat sie oft gesagt, nur hören wollte es nie jemand ,.







:ɔ 

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